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Montag, 22. April 2013

"I'm a Fifo, mate" - a Western Australian Lifestyle?

Jetzt bin ich also ein Fifo. Endlich mitreden und dazugehoeren. Dazugehoeren zu einem Grossteil der westaustralischen Bevoelkerung. Ich bin Fifo, "I'm a Fifo", also ein Fly-in Fly-Out. Ein was? Ich bin ein jemand, der zu seiner Arbeitsstelle ein- und ausgeflogen wird. Mein Zuhause ist also bestenfalls Perth, meine Arbeitsstelle das Outback. Also ganz korrekt: Ich bin ein Fly-in Fly-out worker.


Was du als Fifo fuer eine Position hast, haengt ganz von deiner Ausbildung ab. Du kannst also auch im Outback in einem Buero sitzen oder ganz stereotypisch Truckfahrer sein. Fifo ist also DAS westaustralische Gesellschaftsphaenomen schlechthin - und ich mittendrin. Momentan soll es etwa 50.000 Fifos in Western Australia (WA) geben. Das ist eine ganze Menge, leben doch gerade einmal 2,3 Millionen Aussies hier und von denen alleine 1,7 Millionen in WA's Hauptstadt Perth. Fifo ist ein lifestyle, ganz sicher. Aber wirklich ein Life mit Style?

Bist du ein Fifo, ist dein Leben vorprogrammiert. Dein Dienstplan plant dein Privatleben. Du weisst immer im Voraus, ob du an deinem Geburtstag zu Hause bist, Weihnachten mit der Familie verbringen kannst, den Junggesellenabschied deines besten Kumpels miterlebst oder dann bei der Hochzeit dabei bist. Dein Rhythmus bestimmt alles, Aenderungen selten vorbehalten. Beliebte Dienstplaene sind 2:1, also zwei Wochen arbeiten, und eine Woche frei. Weiterhin ist der 4:1 populaer, ganz besonders auf Bohrinseln und sehr abgelegenen Orten. Gearbeitet wird dabei vier Wochen durchgaengig mit zwei Tagen frei (dank des Arbeitsschutzes), und einer freien Woche daheim bis es wieder in vier neue Arbeitswochen geht. Ja genau, vier Wochen am Stueck ackern, irgendwo im Outback, wo sich dein soziales Leben auf deine Arbeitskollegen konzentriert - oder deinem Smartphone und deinem Fernseher. Familie, Freunde und Partner existieren fuer Wochen nur am Telefon oder im Chat. Ach ja, normale Arbeitsstunden im Fifo-Gewerbe sind zwoelf Stunden taeglich. Das wollen sie dann aber alle, denn ab der 11. Stunde gibt es gleich einmal das Doppelte an Geld. "Wir sind ja hier zum Arbeiten", heisst es oft. Keine Einwaende.
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Und da waeren wir schon beim Thema. Warum laesst sich ein (West)australier zum Fifo mutieren? Wegen der Kooohle! Einem Fifo werden big bucks ($$$) gezahlt. Sozusagen ein Ausgleich, was sie an sozialem Leben einbuesen, eben an lifestyle. Das Land Australien hat momentan eine der staerksten Wirtschaften weltweit - dank seinem groessten Bundesstaat Western Australia und dessen Rohstoffe. WA's Hauptwirtschaftszweig ist der Bergbau. Hier wird von Eisenerz ueber Nickel und Gold alles abgebaut. Aber auch Steinkohle, Erdoel und Erdgas gehoeren zu den Eckpfeilern der (Bergbau-)Wirtschaft. Und die Unternehmen sparen big bucks ein, wenn sie ihre Arbeiter ein- und ausfliegen. Denn ein Leben an abgelegenen Orten im Outback ist nicht billig: exhorbitante Grundstuecks- und Mietpreise sowie Lebenshaltungskosten, an denen sich die meisten Unternehmen beteiligen. Da liegt es naeher, seine Arbeiter ein- und auszufliegen. Spart allemal und es sind dagegen Peanuts dem Arbeiter Unterkunft und Verpflegung auf dem Camp zu zahlen.

Wird ein Fifo ausgeflogen, bekommt er ein Zimmer auf einem Camp gestellt, das bestenfalls ein eigenes Bad beinhaltet. Je neuer das Camp, desto luxurioeser die Ausstattung - und umso besser das Gesamtpaket. Manche Anlagen haben einen Swimmingpool und ein Fitnessstudio sowie eine Bar und einige Gemeinschaftsraeume mit beispielsweise Tischtennisplatten oder Billiardtischen. Es lebe also die Gemeinschaft! Gegessen wird natuerlich auch in einem Gemeinschaftsraum. Lecker Buffet morgens und abends und reichlich Auswahl fuers Lunchpaket. All inklusive also so ein Fifo-Leben. Aber eben die Gemeinschaft...

Du hast nur zwei Moeglichkeiten: Entweder du gehst zuegig auf dein Zimmer oder du freundest dich mit Kollegen an. Doch Vorsicht, hier lernst du die verschiedensten Charaktere kennen: Trinker, Einzelgaenger, Fitnessfreaks, Primitive, Laestertaschen oder einfach nur Laberer. Die (ueberwiegend maennliche) Auswahl ist da und Gleichgesinnte findest du sicher, aber nach einem zwoelf Stunden Tag koennen auch die besten Kollegen nerven. Ein paar Gleichgesinnte helfen der Psyche dennoch: Du befindest dich irgendwo im westaustralischen Outback, ohne Zivilisation, nur rote Erde um dich herum und eben diese Blechhuetten, die du dein Zuhause nennst. Und Familie und Freunde sind in Perth. Du bist isoliert. Wegrennen nuetzt nichts. Wohin denn? Du bist im Outback, schon vergessen? Und morgen gehts auch schon wieder weiter. Ein neuer 12-Stunden-Tag, und uebermorgen und... endlich Fly-Out-Day! Du zaehlst die Tage bis sie dich wieder ausfliegen.

Zurueck in der Heimat brauchst du dann allerdings erst einmal in paar Tage, um dich von den koerperlichen Strapazen zu erholen. Gerade durch das Schichtsystem kommst du als koerperliches Wrack heim. Doch Partner, Freunde und Familie wollen dich sofort wieder einvernehmen. Viele von den juengeren Fifos betrinken sich in ihrer freien Woche fast jeden Tag und feiern ununterbrochen. Sie versuchen eben all das an sozialen Aktivitaeten nachzuholen, was sie waehrend der vergangenen zwei oder vier Wochen verpasst haben.


Fifo hat grossen Einfluss auf die heutige Gesellschaft in Western Australia. Es ist ja nicht so, dass die vielen Schattenseiten von der australischen Oeffentlichkeit ignoriert werden, aber wirkliche Loesungsvorschlaege gibt es nicht. Die Politik haelt sich bedeckt, schliesslich sind es die grossen Minen-Firmen wie Rio Tinto, BHP Biliton oder Chevron, die big bucks fuer das Land Australien verdienen. Doch die Auswirkungen sind enorm. 

Wie soll es er kleine Michael auch finden, wenn Daddy immer weg ist. Daddy ist ein Fifo und hat zwei Leben. Eins mit der Familie und eins auf dem Camp, on site. Mama erzieht die Kinder mehr oder weniger alleine, geht zu Schulfesten ohne Partner und feiert auch den Kindergeburtstag ohne ihn. Fifo wifies heissen die Frauen, deren Partner nie da sind. Sie fuehrt ihr Leben, er hat sein Arbeitsleben dort oben im Norden (Westaustraliens). 

Eine nicht geringe Zahl an Fifo worker ist depressiv oder neigt zu Depression. Ein Aufhoeren ist schwer, so wird der Job doch um einiges besser bezahlt als jener in der Stadt. Und irgendwie muss doch der Kredit fuer das riesige Haus abbezahlt werden, die beiden Autos, das Boot, der lifestyle der Partnerin... Australier konsumieren naemlich unermuedlich, wenn das Geld vorhanden ist. Und so dreht sich das Hamsterrad immer weiter und weiter. Die Mutigen hoeren irgendwann auf, suchen sich eine Stelle in der Stadt oder lassen sich zumindest auf einen anderen Dienstplan legen: eine Woche arbeiten, eine Woche frei. Klingt schon eher nach life mit style.

Von Perth aus steuern die grossen Global Player des Bergbau-Businesses ihre Standorte im Outback
Natuerlich hat so ein Fifo-Dasein auch seine Vorteile. Wer schnell viel Geld verdienen moechte, ist genau richtig. Man spart ungemein in den Wochen auf dem Camp. Die Ausgaben beschraenken sich wenn, dann auf deinen individuellen Alkoholkonsum an der Camp-Bar. Wer jung und ungebunden ist, kann auch jegliche Vorzuege geniessen. Ein paar Wochen Arbeiten und dann die Kohle beim Feiern in Perth raushauen. Besonders Clevere arbeiten drei bis sechs Monate im Jahr als Fifo, kuendigen und geniessen das Leben an den unterschiedlichsten Ecken der Welt. Wenn das Geld aufgebraucht ist, wird sich eben ein neuer Fifo-Job gesucht oder sogar beim alten Arbeitgeber wieder angeheuert. Klappt in den meisten Faellen. Das klingt schon eher nach einem life mit style. Doch fuer wie lange? Fifo kann erfuellend sein, doch diese Erfuellung hat ein Ablaufdatum. Wer rechtzeitig den Absprung schafft, wenn's innerlich wackelt, hat die Zeichen der Zeit erkannt und kann aus seiner Fifo-Zeit wichtige Schluesse ziehen. Es ist schliesslich nicht alles schlecht im Leben eines Fifo, nicht wahr mate?

Fifo ist also ein westaustralisches Gesellschaftsproblem, aehm sorry, -phaenomen, und doch sieht es nicht nach einer Veraenderung aus. Ganz im Gegenteil: Untersuchungen zufolge soll die Zahl der Fifos in den kommenden zwei Jahren auf knapp 70.000 ansteigen. Eine Deutsche Fifo faellt aus der Statistik dann aber raus: die Autorin. Zehn Wochen Fifo haben gereicht, um einen lifestyle zu erfahren, an dem sich die Geister scheiden. Ich bin rechtzeitig gegangen bevor es zum persoenlichen Knall gekommen waere. "I was a Fifo, mate. When will you have a life with style again?"


Die Autorin war in einer Fifo-Position im westaustralischen Outback beschaeftigt. Aufgrund vertraglicher Verpflichtungen duerfen keine Bilder vom Camp-Leben veroeffentlicht werden.